LETZTE ÄNDERUNG am Sonntag 6. Oktober 2024 15:27 durch Berlingo
“Little Prypjat” – die verlassene Geisterstadt: Von Schweinchen und dem bösen Wolf, Hangars und Flugbahnen, Kiefern- und Birkenwäldern, einer Erinnerung an Tschernobyl und einem einsamen Tropical Island, von Bunkern und Hangars, farbenprächtige Street-Art und Rülpsi.
Da ich das riesige Glück hatte, bei dieser Wanderung besonders viele Street-Art-Kunstwerke bewundern zu können, gibt es eine Extra-Art Galerie am Ende dieses Beitrages.
Ebenfalls dort nun auch ein Video …
Ralph und ich landeten am Bahnhof Brand Tropical Island und außer uns sind nur zwei Radfahrer ausgestiegen. Wetter so lala …
Erstmal gings eine Weile über Asphalt, an der Straße auch noch, aber was ich dann zu sehen bekam, hat mir fast die Sprache verschlagen.😲
Die zwei kleinen Schweinchen
Wir gingen durch schroffes Gelände mit vielen hohen Kiefern, hin und wieder begegnete uns ein größerer Busch …
Als wir auf einen dieser größeren Buschhaufen zukamen, sahen wir durch eine Lücke junge Wildschweine hin und her huschen, der Boden war total zerwühlt und so machten wir dann lieber einen Umweg drumherum. Zu hören war nur das Gezwitscher der Vögel, die Schweinchen machten keinen Pips.
Es gab kaum Zäune, doch eine Bewachung soll es angeblich geben. Wir versuchten unser Glück …😎
Wo bin ich … ?
Das Gelände hat seinen Ursprung im Jahre 1938 und war zu der Zeit ein Fliegerhorst der Wehrmacht. Nach Abzug der sowjetischen Streitkräfte 1990 beabsichtigte das Start-up Cargo Lifter in einer riesigen Halle Lastenluftschiffe zu konstruieren.
Nach der Insolvenz 2004 wurde es dann zum bekannten Tropical Island umgebaut. Ein Großteil des Geländes ist aber noch total unerschlossen und birgt jede Menge Geschichte in sich.
Unglaubliche Einblicke
Am Anfang entdeckten wir Ziegelsteinhäuser in Gruppen, meist dachlos, die als Lagerschuppen dienten, daneben Unterkünfte, fürs Personal, einzelne Zimmer oder große offene Räume, die vielleicht einmal eine Kantine gewesen sein können. Alles durch wuchert mit neu wachsenden Bäumen. Unglaubliche Einblicke.
Hier trafen wir einen jungen Mann, der mit dem Fahrrad auf dem Gelände unterwegs war, um für eine nächtliche Exkursion das Gelände zu erkunden. Es folgte ein kleiner Talk unter Entdeckern und wir sahen uns auch nicht das letzte Mal am heutigen Tag.
Street-Art
Etwas versteckt in den Ruinen oder an den Hinterwänden der Häuser zeigten sich uns wunderschöne Street-Art Kunstwerke, ich war total geflasht. Ich glaube nicht, dass viele Menschen diese versteckten Kleinode je gesehen haben und so konnte ich mich gar nicht satt sehen an dieser farbenprächtigen Kunst.
Immer wieder begegnete uns auch ein Name, der auf vielen der Bauwerke auf der gesamten Wanderung zu sehen war, und uns immer wieder ein Grinsen auf das Gesicht zauberte. Das war „Rülspi” … 😂
Little Prypjat
Unser nächstes Ziel war die verlassene Stadt, die in der sowjetischen Besatzungszeit mit den Familien der dort stationierten Soldaten bevölkert war. Tausende von Menschen haben hier mitten im Wald abgeschirmt von der restlichen Bevölkerung des Landes in einem Plattenbauviertel gelebt und gearbeitet.
Die Geisterstadt Little Prypjat ähnelt den verlassenen Gebieten rund um das Kernkraftwerk Tschernobyl und hat daher seinen Namen. 4-stöckige Häuserreihen ragen zwischen den Bäumen hervor. In eines dieser Häuser gingen wir hinein und stiegen in den 4. Stock, der Ausblick, echt krass. An vielen Stellen hat sich die Natur neue Wege gebahnt, doch man kann sich noch gut vorstellen, wie belebt es in dieser Enklave zuging. Von oben ein ganz besonderer Blick.🧐
Auf dem Platz inmitten der Häuser machten wir dann unsere erste Pause. Ich war echt mal sprachlos, … das kommt nicht oft vor.😉
Planschen im Wald
Nachdem wir uns gestärkt hatten, ging es zur nächsten spektakulären Attraktion. Wir fanden ein Schwimmbad im Freien, in dem schon kleine Bäume wuchsen. Badeleiter noch da …, und Rülspi auch.
Neues Leben aus dem Schutt
Als nächstes entdeckte ich einen riesigen Schornstein, ich konnte nicht widerstehen, das musste ich mir genauer ansehen. Wir fanden ein Haus, dessen Dach in der Mitte eingestürzt war und aus dem Schutt entstanden Bäume, die in der Sonne entgegenstrebten. An den Wänden farbenprächtige Graffiti. Eine Augenweide, dieser Ort.😍
Der Atomwaffenbunker
Jetzt drangen wir weiter in das Gebiet der Bunker und Hallen vor. Grafische Kunst und Statements begleiteten uns bis wir plötzlich vor einem riesigen Bunker standen, den man versucht hatte zuzuschütten. Die riesigen schweren Türen waren durch einen Erdwall verschlossen.
Ein Trampelpfad führte hinauf und man konnte erahnen, dass an der rechten Seite der Tür eine Öffnung war. Aber keine Ahnung ob man da weiterkommt, das haben wir nicht versucht. Im Nachhinein eine gute Idee, den dort wurden Atomwaffen gelagert. Crazy…😮
Asphaltbahnen bis die Füße brennen
Anschließend legten wir eine große Strecke auf den Landebahnen zurück, Asphalt. Die Erinnerung an den Jakobsweg und den Flugplatz von Werneuchen war sofort wieder da. Oh wie gern würde ich Etappen-Wandern, … aber irgendwann ist Corona ja wieder vorbei … dann wird gestartet.
Es ging vorbei an riesigen neuen Birkenwäldern. Hunderte dünner weißer Stämme ragten in den jetzt langsam auch etwas blau werdenden Himmel. Da meine Füße jetzt echt brannten, machten wir einfach auf einem Steinhaufen am Wegesrand eine Pause und besprachen dabei den weiteren Weg. Die Sonne schenkte uns ein paar warme Strahlen.
Nun noch mehr Startbahnen und dann waren sie da auf einmal, die Hangars. Teilweise verlassen, genutzt für die Lagerung von Sonnenliegen oder Baumaschinen, oder offen, ohne Graffiti, einige waren mit neuen Toren versehen und wurden offensichtlich privat genutzt. Und dort haben sie uns auch erwischt …
Kontakt mit dem Sicherheitspersonal
Mit einem Mal war er da, der Sicherheitstyp, mit Auto, viel zu spät bemerkt, abhauen zwecklos … in unserem Alter sowieso. Er forderte uns freundlich auf, das Gelände zu verlassen und wir gaben an, den Bahnhof zu suchen. Keine Ahnung, ob er uns geglaubt hat, … wir sahen wohl harmlos aus und durften unseren Weg fortsetzen … yes!
Die ehemalige Luftschiffhalle
Als wir aus dem Wald herauskamen, war sie auf einmal da, … die Luftschiffhalle. Riesig und silbrig glänzend standen wir vor dieser imposanten Gebäude und dem ausgestorbenen Gelände drumherum.
Man kann sich gut vorstellen, wie das alles in Betrieb aussieht. Und es ist sicherlich die einzige Gelegenheit hier mal so allein unterwegs zu sein und alles in Ruhe betrachten zu können.
Die Hangars und der Wolf
Jetzt überquerten wir eine Straße und gingen querfeldein in Richtung Bahnhof. Dabei kamen wir an weiteren Hangars vorbei, die in ausgesprochen gutem Zustand waren. Ich sah in der Ferne, mit meinen neuen Linsen glaube ich sogar einen Wolf, der gerade an einem Tor vorbeilief. Es war kein Fuchs, mit Sicherheit, vielleicht ein Hund, er hatte ein graues Fell und überquerte zügig eine kurze Freifläche.
Zu Füssen einer 3-Gruppe dieser Bauwerke machten wir unsere letzte Pause für den heutigen Tag. Die Sonne schenkte uns wieder ein paar warme Momente und als sie sich verzog, setzten wir unseren Weg auch fort, denn so richtig kuschelig war es nicht mehr, an diesem späten Nachmittag.
Wir schlugen den kürzesten Weg, natürlich wieder mitten durch den Wald ein, denn 22 km über Asphalt hat dann heute echt gereicht. Außer dem Fahrradfahrer und dem Sicherheitstyp sind wir niemandem begegnet.
Für mich eine der großartigsten Wanderungen überhaupt.❤❤❤
Und hier ging’s lang. Komoot haben wir unseren Track auch geschenkt.
Nachwandern auf eigene Verantwortung!
Noch genauer? Hier unser Original GPX Track zum Nachverlaufen 🙂
Zwei Fotoalben begleiten diese Tour. Klick auf ein erstes Bild, um die Galerie in voller Größe zu betrachten. Es gibt auch eine automatische Slideshow-Funktion und du kannst die Bilder in Originalgröße anschauen.
I. „Street-Art in der Geisterstadt Prypjat“:
II. Und hier einige Highlights dieser spannenden Erkundungs-Wanderung:
Und ein kleines 12-Minuten-Video …
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