LETZTE ÄNDERUNG am Freitag 9. Februar 2024 13:23 durch Berlingo
Havelhöhenweg: Knapp 11 km BERG- und TALwanderung mit einer teuren BRÜCKENKONSTRUKTION im Sonnenuntergang, einem versteckten SELBSTMÖRDERFRIEDHOF, einer MUSE mit tiefer Stimme, der FLUCHT eines WENDENFÜRSTEN und einem RABBITTRAIL.
- Start und Ziel Bushaltestelle Stößenseebrücke, Spandau
- 10,9 km Berg- und Talwanderung durch den Grunewald, Besuch des Waldfriedhofs und entlang des Havelhöhenweges nach dem Sturm
- Anteile von Havelhöhenweg/Havelseenweg/Rabbit-Trail
https://www.komoot.de/tour/677580076?ref=wtd
An diesem Samstag, nach den Stürmen der vergangenen Tage, zog es mich hinaus, denn der Wetterbericht versprach Auflockerungen. Aber da die S-Bahnen noch nicht wieder regelmäßig fuhren, blieb ich in Berlin und machte mich per Bus auf zur Stößenseebrücke.
Jetzt folgen erst einmal die Fotos, und im Anschluss dann die Geschichte drumherum, gespickt mit vielen kleinen Informationen über die besuchten Orte. Viel Spaß dabei!!!
Teure Brückenkonstruktion
Die Stößenseebrücke ist eine Stahl- Fachwerkkonstruktion über den Stößensee und die Havelchaussee im Bezirk Spandau. Sie ist denkmalgeschützt und verbindet die Wilhelmstadt mit dem Ortsteil Westend.
Der Bau benötigte eine größere Planung und dafür wurden mehrere Varianten ausgearbeitet. Man entschied sich für die Variante von zwei Brücken, der genannten und der Freybrücke. Dazu musste eine Dammaufschüttung im Stößensee errichtet werden. Zeitungsartikel aus den Baujahren 1908/09 berichten, dass es immer wieder zu Problemen kam, da nicht bedacht wurde, dass der Stößensee erst in einer beachtlichen Tiefe festen Grund erreicht, immer wieder rutschte die Aufschüttung ab.
Grunewald
Nun tauchte ich in den Grunewald ein, es war bedeckt, der Wind böig und die Luft frisch. Meine neue Jacke hielt mich schön warm und ich entdeckte viele kleine abgerissene Äste auf den Wegen. Nach und nach lockerte die Bewölkung auf und die jetzt schon kräftigen Sonnenstrahlen erwärmten mir das Gesicht und zeichneten wunderschöne Lichtspiele in den Wald.
Rabbit-Trail
Ich plane meine Touren meist nur grob, und so entdeckte ich einen kleinen Pfad in der Nähe, der mit Rabbit-Trail gekennzeichnet war. Den musste ich mir natürlich einmal etwas genauer ansehen.
Der Rabbit-Trail ist ein kleiner Pfad, der sich auf einer Anhöhe durch den Wald schlägt. Viele Pfützen und einen Zick-zack-Verlauf (Hasen!) zeichnen ihn aus und hier sah ich auch wie der Sturm der letzten Tage gewütet hatte. Mehrere große Äste waren abgebrochen und auf den Weg gefallen, auch ganze umgestürzte und entwurzelte Bäume entdeckte ich.
Selbstmörderfriedhof
Auf meinem weiteren Weg besuchte ich den Waldfriedhof Grunewald, der im Volksmund auch Selbstmörderfriedhof genannt wird.
Das hat mich neugierig gemacht und so fand ich heraus, dass diese Begräbnisstätte aus blanker Not entstanden ist. Förster des Grunewalds fanden um das Jahr 1879 herum im Wald oder am Ufer immer wieder Tote, die sich erhängt oder erschossen hatten oder ertrunken waren. Da die Kirchen zu dieser Zeit diesen „Todsündern“ keine Möglichkeit zu einem ordentlichen Begräbnis ermöglichten, legten sie kurzerhand diesen Friedhof an.
Velvet Underground und die Muse
Wenn ich hier in der Gegend bin, besuche ich immer die Sängerin Nico an ihrem Grab, die zeitweise ein Mitglied der Gruppe „Velvet Underground“ war.
Wie ihr an dem Track seht, habe ich eine Weile gebraucht, bis ich es fand. Aber heute war es auch nicht so einfach, denn der Friedhof bot ein Bild der Zerstörung. Nirgendwo auf meiner heutigen Wanderung habe ich so viele umgestürzte Bäume gesehen.
Nico
1988 starb Christa Päffgen, genannt Nico, an den Folgen eines Fahrradunfalls. Sie wurde auf dem Waldfriedhof im Grab ihrer Mutter beigesetzt und auch noch heute besuchen viele diesen Ort, um der außergewöhnlichen Sängerin, Schauspielerin, Muse, Model und Poetin mit der tiefen Stimme zu huldigen.
Achterbahn
Ihr Leben war eine einzige Achterbahnfahrt. Mit 13 von einem US- Soldat vergewaltigt, verarbeitete sie später diese Erlebnisse im Song „Secret Side“.
Ihre Mutter war Schneiderin im KaDeWe und setzte ihre Tochter oft als Vorführmodel ein. Dadurch kam sie mit vielen wohlhabenden Leuten in Kontakt, die sie in ihre Kreise einluden. Dort wurde sie entdeckt und bekam internationale Aufträge von Modedesignern. Zu dieser Zeit änderte sie ihren Namen. Sie verdiente viel Geld und kaufte für sich und ihre Mutter ein Haus auf Ibiza.
Muse
Anschließend begann ihre Karriere als Schauspielerin, es folgten Jahre in New York, in denen sie Andy Warhol kennenlernte, der sie zu seiner Muse machte. 1966 wurde sie zum „Popgirl 66“ gewählt und sie sang mit der Gruppe „Velvet Underground“. Mit dem Bandleader Lou Reed verband sie eine kurze Affäre, aber er ließ sie nur 4 Lieder auf dem Album „The Velvet Underground & Nico“ singen, denn er selbst wollte der Frontmann in dieser Band bleiben.
Skandal
Nico missfiel seine Entscheidung und so startete sie eine Solokarriere. Hier ist noch besonders das Album „The End“ zu erwähnen, das mit dem folgenden Spruch beworben wurde, der damals einen Skandal auslöste.
„Warum Selbstmord begehen, wenn Sie diese Platte kaufen können?“
Auf dem Album sang sie auch das Deutschlandlied in abgeänderter Form und bei einem öffentlichen Auftritt widmete sie es dem RAF-Terroristen Andreas Baader.
Drogen
Schon in Paris begann sie Drogen zu nehmen. Zu Anfang Cannabis und Amphetamine, später Heroin. Sie forderte von ihren Freunden und Bandmitgliedern den Heroinkonsum ein und konsumierte auch gemeinsam mit ihrem Sohn, der 1981 im Alter von 19 Jahren, zu ihr zog. In den letzten Jahren war sie drogenfrei, mit Ausnahme des Cannabiskonsums.
Besinnung
Ich machte eine kleine Pause auf einer blauen Bank, hörte die alten Songs und dachte auch an meine alten Zeiten. Wenn ich mich noch einmal entscheiden könnte, diesen oder jenen Weg zu gehen, würde ich mich sicherlich an einigen Stellen anders entscheiden. Aber diese Möglichkeit besteht ja nicht, und was zählt ist, was man in der Gegenwart erlebt, welche Menschen man trifft und ob man glücklich ist.
Havelhöhenweg
Der Havelhöhenweg beginnt an der Stößenseebrücke und endet am Strandbad Wannsee. Dieser Höhenweg, mit einer Länge von ca. 10 km, einem bergigen Charakter und seinen wunderbaren Aussichtspunkten ist er ein richtiges Juwel, und das in der Stadt. Meist ist er recht gut besucht, und so wähle ich Tage für solche Wege, an denen viele nicht gern rausgehen.
Peter Josepf Lenné kam vor rund 100 Jahren schon auf die Idee, an diesem Ufergelände einen Weg anzulegen. Als Folge des Notstandsprogramms um 1950 entstand dieser Weg, der dann aber nicht gepflegt wurde. 2004 wurde er ausgebaut und teilweise neu gestaltet.
Gekappt
Kurz vor dem Schildhorndenkmal entdeckte ich eine zerrissene Leitung, deren Ende auf dem Boden lag. Ein Baum war auf die Leitung gestürzt, hatte diese unterbrochen und den Weg versperrt.
Mir fiel auch auf, dass viele alte Beton-Treppen die Uferböschung hinaufführten, auch Teile von Gebäuden und Steinreste weckten meine Aufmerksamkeit. Leider konnte ich nicht herausfinden, was vor dem Krieg hier gestanden hatte, aber vielleicht weiß das ja einer von Euch etwas darüber.
Über Kommentare hier oder bei Facebook und Instagram würde ich mich sehr freuen.
Jaczo Denkmal
Als nächstes entdeckte ich das Jaczo Denkmal, das an den Wendenfürsten Jaczo erinnern soll. König Friedrich Wilhelm IV ließ es 1845 errichten. Es steht auf der Halbinsel Schildhorn und ist von weit her sichtbar.
Der Wendenfürst soll an dieser Stelle auf der Flucht vor Albrecht dem Bären die Havel durchschwommen haben. Nachdem er das rettende Ufer erreicht hatte, hängte er sein Schild und sein Schwert an einen Baum und gelobte sich taufen zu lassen.
Alte Liebe
Ich kam dann noch am Heimathafen der „Alten Liebe“ vorbei, einer Steganlage des Ausflugsdampfers. Das Boot lag an der Anlage und eine Tafel versprach die Inbetriebnahme ab April 2022.
Am Ende erreichte ich die Stößenseebrücke genau in dem Moment, als sich die Sonne verabschiedete, mein Glück war perfekt. ❤
Tolle Bilder, brauchen nur so lange zum Laden. Und schön, dass nicht nur die die Drogenkarriere von Nico behandelt wird.
Vielen Dank für Deinen Kommentar und Dein Lob, Berlower.
Und den Hinweis auf die großen Fotos. Ich hab mir den Beitrag gerade vorgenommen und Korrektur gelesen, die Bilder halbiert.
Leider ist die Autorin kürzlich selbst zu Nico aufgestiegen.😪
Ralph
Stunden später … haha, ich lag falsch. *heul*
Nicht Rabbi .. sonder Rabbit .. Rabbit Trail … wegen Hasen … Hasenpfad .. zick und zack springen, ja, da haste Recht.
Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, was ein oder der Rabbitrail ist 😉
Du weißt aber schon, was ein Rabbi ist???
Naja, ich googel das mal selber, haha