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Ein Kurz-Trip mit dem Bio-Rad. Nach dem Abfahren von Elbe, Saale, Spree und Havel stand noch die Unstrut auf dem Zettel. Der Nebenfluss der Saale hat einen “eigenen” Radweg. Vom Hörensagen soll es eine wirklich tolle Route sein. Wenn auch mit gut nur 200 km etwas kurz.
Inhalt: Anfahrt – Etappe 1 – Bad Langensalza – Etappe 2 – Etappe 3
Mehrfach prokrastiniert, ging es dann bei einem angekündigten Schönwetterfenster am Mittwoch, den 23. August 2023 los. In vier Tagen – einschließlich eines “Kur-Tages in der Mittelalterstadt Bad Langensalza – und nach drei Etappen war die Ausritt an der Unstrut Mündung in die Saale bei Naumburg schon beendet.
Anfahrt zur Quelle
Zwei Varianten, ca. 6 oder 13 km
Natürlich hat ein Flussradweg seinen Anfang an der Quelle. Diese ist niemals auszulassen. Doch mit dem Rad zur Unstrutquelle zu gelangen, ist erst einmal mit Bergauf-fahren zu bewältigen.
Tourenbeschreibungen schlagen als Zielbahnhof den Ort Silberhausen vor. Von dort sind es zwar nur 6,5 km, aber Du fährst dann halt den Radweg ggfls. doppelt, auf und ab. Eigentlich nicht so spannend. Der Standardvorschlag als GPX mit Klick auf das Höhenprofil.
Ich schaute auf die Karte und der Routingvorschlag von Mapy verläuft vom Bhf. Leinefelde durch die Landschaft über Beuren und Kreuzebra zur Quelle. Mit einem interessanten POI auf der Strecke, die Burg Scharfenstein.
Allerdings – eine Burg liegt meistens oben! Das 17% Steigung-Schild war zwar nicht in der Karte verzeichnet, aber die enge Serpentinenstraße hätte mich warnen können. Und auch ein Blick auf das Höhenprofil.
Egal, drei Stunden Regionalbahn sind genug, ich bin sehr früh (5 Uhr!) am Bahnhof Zoo gestartet und der Tag war noch lang. Was sind schon 13 km … und ich hab doch ein Mountainbike 🤣…
Resultat: etwas Selbstüberschätzung, eine halbe Stunde Schiebrad und viel Schwitzen und Fluchen auf meiner Alternativroute (GPX).
Note: Für alle eBiker, die hier mitlesen, ist der steile Hügel natürlich kein Thema. Und wenn Dir dann doch der Akku leer gesaugt wird – oben an der Burg hat es eine 🔌 Ladestation!
Der Bahnplan: Ab Berlin Zoo um 5 Uhr nach Magdeburg. Über Halle nach Leinefelde. Ausreichend Umsteigezeit. Statt wie empfohlen, 20 Minuten Umsteigezeit und 10 Minuten Fahrzeit nach Silberhausen von dort hoch zur Quelle, nehm ich das Rad für die letzte Etappe der langen Anreise. Dieser Fahrplan als Beispiel im Cloud Album.
Also nahm ich den kleinen Umweg über den Hügel. Haha, mit Schiebrad bei 17% hab ich also am ersten Tag gleich eine halbe Stunde abgekotzt. -> Bild.
Auch: “1 : 1 – vorn und hinten kleinster Gang” hat’s nicht gebracht, bzw. ich hab’s nicht gebracht. Schiebrad-Pause in jeder schattigen Kurve 😰.
Egal wie und wie lange, irgendwann ist man oben. Hier: Burg Scharfenstein. Lohn: schöne Aussichten.
Und wenn es auf dem Weg zur Unstrutquelle hinter Kreuzebra noch eine kleine Abkotzpassage gibt – insgesamt wiegt die lange Abfahrt den Anstieg doch ganz gut auf.
Etappe 1 – Tag 1
Von der Quelle bei Dingelstädt über Mühlhausen
nach Bad Langensalza. Etwa 65 km
Später berichteten mir übrigens andere Radler, dass der offensichtlich sehr kleine Zug in Leinefelde hat Radreisende stehen lassen – war überfüllt. Und die Auffahrt vom Bahnhof Silberhausen fand ich später, auf dem Weg abwärts rollend, auch nicht so prickelnd. Kleine Genugtuung für den anstrengenden Umweg.
Wir sind da! Nicht drei Kreuze – aber ein großes Kreuz fällt sofort auf, schön Blumen geschmückt neben der Unstrutquelle. Ein Einheimischer erzählt. Eine einbeinige alte Frau pflegt bereits seit vielen Jahren das Blumenbeet. Am Kreuz erinnert ein gemaltes Bild an einen örtlichen Pfarrer.
Blick in die Quelle: kein Wasser in der gestalteten Höhle! Früher war das so. Aber unten plätschern die ersten kleinen Unstrutwellen heraus.
Insgesamt ein schön gestaltetes, grünes und auch schattiges Plätzchen. Etwas oberhalb befindet sich eine offene Halle, die größeren Kommunalpartys dient. Noch einige Meter weiter: die Schützenhalle.
Die wilde Fahrt beginnt. Etappe 1 – Quelle, Dingelstädt, Mühlhausen/Thüringen, Bad Langensalza.
Kefferhausen heißt das der Quelle naheliegende Örtchen. Am hier natürlich noch schmalen Unstrutbach entlang bei schönstem Wetter rollt es sich gemütlich nach Dingelstädt, ein kleineres Städtchen, das auch einmal einen aktiven Bahnhof hatte.
Der Kanonenbahn-Radeg
Schon an der Quelle im Gespräch mit Einheimischen wurde mir vom “Kanonenbahn-Radweg” vorgeschwärmt. Auch Facebooker erwähnten lobend diese zum Radweg umgebaute alte Bahnlinie. Man kann sie zwischen Kefferhausen und Dingelstädt sehen – allerdings nur das Viadukt von unten, dreißig Meter über dem Kopf.
Der 32-km-Radweg soll spektakulär sein – wird kräftig beworben und alle schwärmen davon. Er führt ohne Steigungen bahngerecht über viele derartiger Viadukte. Beginn ist in Dingelstädt am ehemaligen Bahnhof. Flyer, Karte und mehr hier: www.Naturpark-EHW.de/../kanonenbahn-radweg.
Und natürlich ist dieser Abenteuer-Radweg längst in zahllosen Youtube Videos verewigt. Wer diese aber dann alle gesehen hat, hat schon alles gesehen – und nimmt sich das Staunen und die Überraschungen vor Ort. Youtube Videos Kanonenbahn-Radweg.
Ich habe oft die Original-Route verlassen und bin durch die Ortszentren hindurch – die örtliche Kirche fest im Blick. So auch in Dingelstädt. Es hat ein schmuckes Altstadt-Ensemble und ein modernes Skulpturenensemble namens “Steckenpferd”.
Bei Silberhausen imponiert die noch glasklare Unstrut, die immer “flüssiger” wird. Man kann auf den Grund schauen, Wassergewächse fühlen sich wohl. Hier unter der Brücke der Johann-Sebastian-Bach-Straße.
Die handgemolkene Kuhmilch stellten früher die Bauern täglich auf einer Milchbank zur Abholung bereit. Erinnerung daran hier in Helmsdorf.
Der Trend zum Pilgerweg-Wandern hält ja bereits seit Jahren an. Auch die Kirche in Zella liegt an einem Pilgerweg. Also ich hab niemand wandern gesehen. “LV” neben dem Wanderweg hier entlang der Unstrut bedeutet wohl “Pilgerweg Loccum-Volkenroda”. Manchmal kann man auf diesem Weg “abkürzen”😃.
Zwischen Dachrieden und Reiser gibt es zwei weitere eindrucksvolle Viadukte über das Unstruttal zu sehen. Die Unstrut macht hier einen Bogen durch ein kühles Waldgebiet. Der Weg ist hier ohne Asphalt!
In Mühlhausen/Thüringen wird gerade das große Mittelalterfest vorbereitet. Sie feiern 10 Tage lang! Das alte Gemäuer ist restauriert und gut erhalten. Mein Abseits-Routing führt mich wieder einmal einige Treppenstufen hinauf. Uff. Ein 40-kg-eTourenrad würde ich hier nicht hochschleppen wollen.
Die “Fenstergucker” ist ein historisch erinnerndes Schüler-Kunstprojekt in der Herrenstraße. Das war ein schöner Tipp aus der Facebook Gruppe. Sehr beeindrucken die Marienkirche in Mühlhausen. Und es gibt Leben auf dem Obermarkt und der Einkaufsmeile Steinweg.
Der weitere Weg führt oft auf schattigen Schutzdeichen der Unstrut entlang. Hochwasser scheint hier im flachen Tag also nicht unmöglich.
Und schon sind wir in Bad Langensalza, dem Zielort der ersten Etappe. Das waren also die ersten 65 Kilometer – und der Rückenwind war der Hilfsmotor.
Meine Unterkunft, die gemeinnützige Pension “Zur Lohgerberei”, liegt gleich am Eingang der Altstadt. Um 18.30 Uhr ist ein Telefonat mit der Rezeptionsbereitschaft erforderlich, um die Schlüsselverstecke zu knacken. Außer mit scheint niemand da zu sein. Räder werden in einer Ecke des Hofes versteckt, dort gibt es auch Steckdosen.
Mit einem Abendspaziergang ins Mittelalter und einem Abendmahl im wohl besten Italiener der Stadt, gleich vorm Rathaus, endet dieser erste Tag.
Sämtliche Fotos sind kommentiert in großen Originalformaten einschließlich einiger 360-Grad-Drehbilder hier in der Cloud zu sehen: Photos.App.Goo.gl/o6ScTzsP9m3PAXdR9
Alle Unstrut-Routen und -Tracks und POIs hier bei Mapy.cz im Browser öffnen
Oder hier meinen Original-Track der ersten Etappe als GPX herunterladen
Tag 2
Ein „Kur-Tag“ in Bad Langensalza
Die Mittelalterstadt erkunden
Bad Langensalza ist uralt, erhielt die „Bad“-Auszeichnung aber erst im Jahr 1956.
Seit 1990 ist es ein staatlich anerkanntes Heilbad mit drei Heilquellen: Schwefel-, Sole- und Trinkheilwasser.
Toruristisch wird geworben mit zehn Parks und Themengärten, zum Beispiel den Japanischen Garten, den Rosengarten oder das Arboretum. Alle jeweils eintrittspflichtig.
Sehenswürdigkeiten: Marktkirche, Rathaus, das Friederikenschlösschen, das Stadtmuseum im Augustinerkloster. In der Nähe der Baumkronenpfad im Nationalpark Hainich.
Mit besonders gefallen hat die Übersichtlichkeit der doch relativ kleinen Altstadt. Die Stadtmauer mit zahlreichen Funktionstürmen ist noch erhalten. An einem einzigen Tag sind nicht nur die touristischen Highlights zu bewältigen, sondern es sind auch Blicke in die Hinterhöfe bzw. noch nicht völlig restaurierten Straßenzüge möglich.
Was mir als Hauptstädter auffiel: die Abwesenheit von wilder Sprayerkunst und von Mietrollern, sowie Fast 2 Go Gastronomie, Dönerbuden, Gehwegradlern und endlose Blechparker.
Und die alten Mittelalter-Häuser sind gefühlt noch zu 90% bewohnt! Teils noch in einer Restaurierungsphase, nur wenige Ruinen sind tatsächlich zu Baulücken niedergerissen worden.
Es sind alte, große Schulgebäude integriert, das Rathaus ist nicht zur Operettenkulisse degradiert. Am Mittwochabend um 21 Uhr kamen dort noch Mitarbeiter aus der Tür und fielen gleich gegenüber im Venezia ein.
Der grün-bunte, gut gepflegte Kurpark entlang der Stadtmauer ist zwar teils Autoparkplatz, aber auch kostenlos nutzbar. Die Stadt ist m. E. mehr durch ihre Bewohner belebt als durch Touristenhorden oder Kurgäste.
Für aktuelle Veranstaltungstipps empfehle ich den offiziellen Veranstaltungskalender der Stadt, der auch gut wiedergibt, was dort so das Jahr über los ist.
Optisch können meine Fotos von zwei Stadtrundgängen etwas mehr zeigen, als üblicherweise im Netz zu finden ist. Guckst du hier. Etwas herunter scrollen – im Cloud Album ist die gesamte Reise in kommentierten Fotos dargestellt.
Ich hatte Glück. Am letzten August-Wochenende war Bad Langensalza vermutlich außer Rand und Band: Mittelalterstadtfest! Ohne mich 😆.
Ein Foto- und Eye-Catcher ist der detailreiche „Breite Brunnen“ vor dem Rathaus sowie die Rathaus-Frontfassade mit Glockenspiel und Drehbühne oben im First. Show täglich 12 und 18 Uhr. Video folgt ;-). Weiterhin beachtenswert: Die Nachbildung der alten Kursächsischen Postmeilensäule auf dem Neumarkt.
Entlang des Kurparks begegnet man dem kleinen Frederikenschlösschen mit einem eigenen Park. Dort oben ein interessanter, historischer Schwefelquellen-Brunnenpavillon. Ohne Schwefel, als ich dort schnuppern wollte.
Etwas weiter am „Burgturm“ findest du einen kleine Tür in der Stadtmauer, die in den BUND Naturgarten führt. Eine empfehlenswerte weil erholsame Grünoase mit einem Café. Erholung mit dem „Süffigen Günter“, ein lokal gebrautes Bio-Bier mit dem Label „Dreitürme“. Der BUND Garten war Nebenschauplatz der Erfurter BUGA 2022.
Auffällig zieht sich durch die Altstadt ein ziemlich groß dimensionierter Kanal, in dessen Mitte ein kanalisierter Bach fließt. Hab noch nicht herausfinden können, was es damit auf sich hat. Die „Salza“, eine größerer Nebenfluss der Unstrut, ist es jedenfalls nicht … siehe weiter unten
Die Friederiken-Therme, nördlich der Altstadt, soll ein Schwerpunkt der kleinen Kurstadt. Der Botanischen Garten daneben war dagegen irgendwie nicht erreichbar. Der große EDEKA etwas weiter hat aber geöffnet.
Von der Vorstadt zurück in die Altstadt. Die evangelische Kirche St. Stephani „Auf dem Berge“ hatte überraschenderweise geöffnet! Bisher fand ich nur verschlossene Kirchentüren.
Nach einem kurzen Mittagsschlaf bei der Hitze erfolgte am frühen Abend Teil II des Stadtrundgangs. Die Tracker App „Runnings“ von adidas lief derweil unerschütterlich weiter und zählte im Schlaf verbrauchte Kalorien, haha.
Apotheker-Museum, Augustinerplatz mit Stadtmuseum, dem Ulanden-Denkmal … und einer Durchgangsstraße. Mein kleiner Videoclip demonstriert den Lärm der Stadt: Die rollenden Autoreifen auf allen Pflasterstraßen sind eigentlich unerträglich laut!
Der Spaziergang führt nun am Rand der Vorzeige-Mittelalter-Altstadt entlang. Und offeriert Erstaunliches – zum Beispiel: Die Wohnwerte der uralten Häuser werden kreativ durch Terrassen und Balkone auf Stelzen verbessert,
Auf dem Weg hoch zum „Arboretum“ und zum „Drei-Türme-Blick“ bewohnte und unbewohnte alte Wohnhäuser. Diese Ecke liegt etwas im Abseits an der westlichen Stadtmauer.
Pflanzung verschiedener Bäume; Baumschule
Das Arboretum an der Gottesackerkirche St. Trinitatis war nach der Schließzeit noch offen, ein kurzer Blick auf das bunte Grün möglich 😃.
Der Park gegenüber um den Drei-Türme-Blick gehört zum Arboretum – ist aber frei zugänglich. Hier wartet das Argus-Auge auf den absoluten Durchblick … 😂. Von links zu sehen und nur von diesem Standort aus sind der Kirchturm der Marktkirche, der Hausmannsturm des Rathauses und der Turm der Augustinerklosterkirche. Eines der Wahrzeichen der Stadt, schöne Sache das.
In der OSM Karte ist ein Bierkneipen-Symbol am Schanzturm zu sehen … und tatsächlich: dort ein geöffneter Pub! Touristen werden hier in das Abseits den „Zum Stadtmauerturm“ wohl eher nicht finden. Ich hab mich nicht hineingetraut, vielleicht ein Nazi-Treff? Aber nein, harmlos, die Website verzeichnet sogar reichlich Live-Musik-im-Turm. Erst später gesehen.
Dann die „Salza”, fast ein richtiger Fluss. Offensichtlich fließt die Salza geteilt durch die Stadtgräben. Mittelalterliche Kanalisation?
Der “Kur-Tag” endet wieder mit einem Abendmahl im Venezia am Rathaus, die Speisekarte und die Eiskarte überzeugen einfach und man kann schön mitten in der Stadt draußen sitzen.
Der GPX Track meiner Rundgänge hier zum Herunterladen
Sämtliche Fotos sind kommentiert in großen Originalformaten einschließlich einiger 360-Grad-Drehbilder hier in der Cloud zu sehen: Photos.App.Goo.gl/o6ScTzsP9m3PAXdR9
Und wer Bad Langensalza en detail kennen lernen möchte, liest hier nach: de.Wikipedia.org/wiki/Bad_Langensalza
Etappe 2 – Tag 3
Von Bad Langensalza nach Artern. Etwa 70 km
Aus Bad Langensalza heraus zu finden, ist jetzt kein Ding. Nach einem guten Kilometer genau Richtung Osten gelangt man auf die offizielle Route, die unbegreiflicher Weise relativ weit nordöstlich um die Stadt herum führt.
Es folgt das Dorf Nägelstedt. !!! ACHTUNG !!! Aus dem Dorf führt eine gefährliche Geröllpassage einen Abhang hinab. Nicht zu schnell werden, stärkeres Bremsen kann hier übel enden. Die Sause endet an einer Lohmühle und am Beginn des Naturschutzgebietes Unstruttal zwischen Nägelstedt und Großvargula. Es ist wirklich eine schöne Talstruktur hier – der Fluss neben dem Weg meist in Sichtweite. Es ist etwas romantisch. Der Radweg schwingt sich wie die Unstrut durch die Landschaft.
Schloss Großvargula habe ich links liegen lassen. Der nächste markante Ort ist Herbsleben. Vor dem hübschen Rathaus der Biergarten eines griechischen Restaurants. Eine größere Radlergruppe macht Pause.
Nur 200 m kümmert sich der Verein „Schlossruine Herbsleben“ erfolgreich um eben diese Ruine, sie liegt direkt unweit der Straße, ist aber durch ein Haus verdeckt. Ein paar Meter über die ehemaliger Schlossbrücke – und der Besucher staunt. Es sind zwar nur die Grundmauern erhalten, und die Kellergewölbe – aber alles ist mit Aufwand gesichert und besucherfreundlich restauriert. Zwei große Erklärtafeln erklären akribisch die Geschichte.
Im nächsten Ort, in Gebesee, wartet ein weiteres Schloss auf Besichtigung. Die Hauptzufahrt am Radweg ist durch ein Tor verschlossen. Man fährt etwas weiter und achtet auf eine kleine eiserne Tür. Die steht offen. Hindurch und man steht im geschlossenen, großen Innenhof mit begrenzenden Gebäuden in sehr unterschiedlichen, baulichen Zuständen. Nur das Hauptgebäude ist restauriert. Dort war wohl mal eine Pension drin, nun wohl Büros. Der Website ist nicht mehr zu trauen, sie wurde vor 10 Jahren das letzte Mal aktualisiert.
Jedenfalls ist das Schloss jetzt eine Unterkunft für Ukraine-Flüchtlinge!
Noch ein !!!Achtung!!! In Haßleben teilt sich die Unstrut-Route. Links ab geht es über Werningshausen zum flussnahen Weg, geradeaus und für mich auf langen Geraden über die Hügel.
Naturfreunde – wie ich 😄 – machen einen Stopp beim NABU Beobachtungsposten am Alperstedter Ried, ein größeres renaturiertes Landschaftsschutzgebiet.
Wir gelangen nach einigen Auf und Abs in die historische Industriestadt Sömmerda. Es gibt ein historisch-technisches Museum, eine Mühle, einen Industriepark und eine Stadtmauer. Und ein sehr gemischtes architektonisches Ambiente, viele Einkaufsmöglichkeiten, Softeis und einen interessanten „Fortuna“ Brunnen, der einiger Erklärung bedarf.
Das Alternativziel, die Jugendherberge in der Festung und Wasserburg Heldrungen naht. Aber erst noch durch die „Thüringer Pforte“, hier zwängt sich die Unstrut durch die Lücke einer kleinen Gebirgskette.
Verrammelt! Stop! Die Wasserburg Heldrungen hat sich wegen einer Veranstaltung an diesem Wochenende völlig dicht gemacht. Ein eisernes Tor lässt nicht mal einen Blick auf das interessante Gelände zu. Ein DJH Bett, völlig ausgeschlossen.
Telefonat mit dem Hotel Weinberg in Artern. Es ist noch ein Zimmer für eine Nacht frei. Rezeptionist ergänzt: kräftige Regenfront ab 18 Uhr, bitte beeilen! Kurz – ich hab es nicht geschafft trocken zu bleiben. Danke, verottete Holzbrücke bei Schönfeld (verrammelt schlafend schon seit 3.3.22, kein Geld für neue Ersatzbrücke) und daher Umweg, danke, alte Treppe den Weinberg hinauf (Fehler in der OSM). Foto-Doku im Cloud Album.
Ein Stadtspaziergang in Artern muss wetterbedingt entfallen.
Mein gefahrener GPX Track der Etappe 2 hier zum Herunterladen
Sämtliche Fotos sind kommentiert in großen Originalformaten einschließlich einiger 360-Grad-Drehbilder hier in der Cloud zu sehen: Photos.App.Goo.gl/o6ScTzsP9m3PAXdR9
Etappe 3 – Tag 4
Von Artern zur Unstrut Mündung
in Naumburg. Etwa 70 km
Rückseitenwetter nennt man den weiß-blauen Himmel nach einer Kaltfront. Bei nur etwas gesenkten Temperaturen und Sonnenschein folge ich der ebenen Route neben, teils auf dem Schutzdeich.
Der erste markante Ort ist Wendelstein, mit einer Burg oben drauf. Die ist schon von weitem als Postkartenmotiv nicht zu übersehen. Burg Wendelstein – also geht es in einer mit 1:1 zu bewältigenden Schleife ohne Absteigen nach oben, um herunterschauen zu können.
Vorburg, Unterburg, Oberburg – das Teil ist dreiteilig. Leider habe ich den Zugang zur Unterburg übersehen (dort drei Aussichtspunkte lt. Karte), landete dann in der Oberburg. Die ist privatisiert, nur teils modernisiert, es gibt Mietwohnungen an diesem mittelalterlichen Ort. Besuchern ist der Besuch im Hof und zum Aussichtspunkt erlaubt, wenn sie sich ruhig verhalten. Der kurze Umweg auf dem groben Pflaster vom Radweg hoch lohnt sich durchaus.
Am Rand von Wendelstein befindet sich in Steilhanglage ein erster Weinberg. Der war bedauerlicherweise von oben nicht zu sehen.
Es ging in einer schnellen Abfahrt auf einer abgesperrten Straße um vom Sturm abgerissene Baumäste herum hinunter zum Fluss. Ein weitere Abstecher herum um das Kloster und die Kaiserpfalz in Memleben hält nicht lange auf. Es gibt ein Café mit Pension gegenüber des Eingangs. Das schicke Museum verkauft Tickets und hat Sonderausstellungen. Ein kurzer Blick in den Garten war kostenlos.
Man riecht die Weinberge förmlich schon bei der folgenden Landschaft, die sich hier mit steilen Ufern und roten Sandsteinfelsen ankündigt. Vordergrund macht Bild gesund – auf die treibenden Paddler hab ich für das Foto noch kurz gewartet. Oberhalb des kleine Gebirgszuges befindet sich der Fundort der „Himmelsscheibe“, hier nicht zu sehen.
Die Arche Nebra und die Himmelsscheibe
Dazu muss man schon einen kleinen Aufstieg zur eigens gebauten Museumskathedrale, Arche Nebra, in Angriff nehmen. Die Himmelscheibe von Nebra wird hier in einem hypermodernen Museum gefeiert. Aber Hinweis: das kostbare Original befindet sich nicht hier, sondern im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle 🤣!
Zum Fundort der legendären Scheibe. dem „Mittelberg“, mit einem schiefen, astronomischen Aussichtsturm und anderen Ausgrabungen (hier ist der Eintritt frei) kann man noch 3 km auf einem Rundweg wandern.
Merch gibt es reichlich. So bspw. als Schnäppchen eine Scheiben- Kopie für nur 999 Euronen. Ist sicher gute Kunsthandwerks-Qualität. Es gibt aber auch günstige T-Shirts und Taschen.
Zum „Himmelswege“-Netzwerk gehört das Sonnenobservatorium in Goseck an der Saale, schlappe 35 Fahrradkilometer von der Arche Nebra entfernt. Zu weit für einen Abstecher. Wir gucken hier: www.Himmelswege.de.
Nun tauchen am Radweg weitere schöne Postkartenmotive auf. Hier das Tal kurz vor Nebra.
Oops – trotz eindringlicher Hinweise den Abzweig in Nebra übersehen. Wie sonst dachte ich, nimmste halt den eingezeichneten Wanderweg durchs Grüne. Damit landete ich vor umgestürzten Bäumen im Busch vom Wander-Nirgendwo gelandet. Und dann noch halsbrecherische Stufenruinen! 😱 Ohne Gepäck okay, aber so ….🤣. Also auf keinen Fall meinem Track oben am Schwimmbad entlang folgen!
Erholung verdient. Und zwar in der Straußwirtschaft in Reinsdorf. Ausgeschildert, nur kurz entfernt vom Radweg.
Hier dazu ein Tipp für den Aufenthalt in einer Strauß- oder Besenwirtschaft:
Nicht nach Bier fragen! Auf kippelige Tische achten. Und alle Weine sind lokal Unstrut! Habe mich mit dummen Fragen auch nach Weinbergen bei Straußwirtschaftlerin Silke Geisenhahn doch etwas unbeliebt gemacht 🤣. Die zerstörte Schorle von Kippeltische (4 Euro) hab ich natürlich bezahlt. Der Käse-Trauben-Spieß lohnt nicht. Wein war gut.
Weitere Weinberge sind nahe der ICE-Unstrut-Talbrücke bei Karsdorf zu entdecken. Ich sollte meine Bilder im Kopf von der Mosel nicht zum Maßstab für die Unstrut machen.
Eine weitere privatisierte Burg. Schloss Burgscheidungen – von weitem ein imposanter Eindruck, aus der Nähe – auch extra den Pflasterburgweg hochgeschwitzt – dann: „vorübergehend wegen Instandsetzungen“ geschlossen. Ein Trick der Eigentümer? Gastronomie hat Corona nicht überstanden? Personal fehlt? Keine Ahnung. Mal schnell die Spionkamera unter dem Tor durch geschoben. Kein Leben dahinter. Barockgarten, Schlossrestaurant, Kneipe, Aussichtspunkte … die Landkarte verspricht für das Schloss immer noch viel.
Am Radweg durch das uralte Weinanbaugebiet erzählen viele Erlärtafeln unterwegs von der langen Geschichte. Die Gleinaer Berge haben keine Weinhänge, stattdessen ist die Westhanglage wohl ideal für längere Gleitschirmflüge. Viele waren an diesem ruhigen Abend in der Luft. Oben muss mehr Wind gewesen sein. On top auch der Flugplatz Laucha, ein Segelflugzeug startete mit der Seilwinde.
In Laucha hab ich nichts Spektakuläres gesehen, aber das Rathaus fällt auf. Das historische Zentrum ist klein und nur zum Teil erhalten. Es gibt ein Glockenmuseum.
Endlich Weinberge satt bei Freyburg. “Schweigenberg“ nennt sich das große Gebiet mit vielen unterschiedlichen Hanglagen. Es ist Weinfest-Wochenende, im Ort viele geöffnete Weinstuben und etwas mehr los ist am schönsten Weinberg, dem „Herzoglichen, öffentlichen Schau- und Lehrweinberg“. Preise wie im Restaurant, kein Erzeugerrabatt.
Der Radweg führt gemütlich weiter zum Ende der Tour. An der Brücke geradeaus halten – oder ohne Mündung und Fähre rechts ab auf den Weg ins Zentrum von Naumburg.
Mein kürzester Weg zum Bahnhof benötigt die kleine Fähre „Blütengrund“ im „Blütengrund“. Mensch plus Rad: 2,50. Boarding nicht barrierefrei!
Rückblick auf die kleine Gierfähre „Blütengrund“ über die Saale (!) mit Weinberg-Hintergrund. Ein schönes Abschiedsfoto für diese Reise.
Leider völlig unspektakulär ist die Mündung der Unstrut in die Saale bei Naumburg. Hier sind zwar wegen der Fähre und dem großen Bootsverleih sehr viele Leute unterwegs. Okay – muss ja nicht wie das Deutsche Ecke Mosel/Rhein aussehen, aber … nicht mal ein Erklärschild hab ich gefunden.
Am und im Bahnhof Naumburg. Die Zubringer-Tram, die gerade hier an der Endstation hält, ist den Passagieren nach zu urteilen, offensichtlich eine Touristenattraktion.
Und das war’s. Danke fürs Lesen dieses Mega-Beitrages. Fotos konnte ich leider nicht direkt integrieren, dann wäre die Ladezeit zu lang.
Sämtliche Fotos sind kommentiert in großen Originalformaten einschließlich einiger 360-Grad-Drehbilder hier in der Cloud zu sehen: Photos.App.Goo.gl/o6ScTzsP9m3PAXdR9
Mein gefahrener Track der Etappe 3 hier als GPX Download
Das bikeline Radtourenbuch: Kaum reingeschaut – hätte ich aber besser öfter tun sollen :-). Das Buch stellt alle GPX Tracks zum Download bereit.
Rückreise nach Berlin: 3x Umsteigen: 19 Uhr ab Naumburg – Leipzig – Dessau – Berlin Ostbahnhof. Kaum in Brandenburg kam Schaffnerin und verlangte 6 Euronen für ein Rad-Tagesticket. Auf der Hinreise haben sich mich in Sachsen-Anhalt und Thüringen dafür ausgelacht.
Ich navigierte die GPX aus dem Radtourenbuch mit dem Navi-Handy und der App Mapy.cz. Komoot geht natürlich auch – aber deren Karten sind mir tatsächlich zu reduziert. Übernachtungsadressen und touristische Infos im Esterbauer können hilfreich sein. Bikelin bietet noch Sondertouren im Gebiet an: Die auf dem Cover genannten 327 km ergeben sich aus den Zusatzrunden, Nebra usw.
Das war die Planung
Ich habe mir den Unstrut bikeline Radführer von Esterbauer besorgt. Die ausführlichen Radtourenführer dieses Verlages haben sich bei mir seit Jahren, eigentlich schon immer bewährt. Vor allem wegen der Übernachtungsadressen und Zusatzinfos. Navi besser mit dem Navi.
Ich hab diese Reise in Facebook-Gruppen vorgestellt. Hier beispielhaft für viele Tipps aus der Gruppe Radwandern Berlin-Brandenburg:
Claudia Kondziella schreibt:
„… Der Unstrut-Radweg ist immer noch ein Geheimtipp. Ein absolutes Highlight befindet sich gleich am Beginn: Für Mühlhausen sollte man unbedingt einen Tag einplanen. Eine mittelalterliche Freie und Reichsstadt, im Krieg nicht zerstört, zu DDR-Zeiten dank Thomas Müntzer einigermaßen gepflegt und nach der Wende aufwendig und super schön saniert. Mühlhausen braucht den Vergleich (lt. eines Kollegen aus FFM) mit Rothenburg ob der Tauber nicht zu scheuen … Und Johann Sebastian Bach hat auch seine Spuren hinterlassen.
Natürlich bin ich mit Unstrutwasser getauft, das ist im katholischen Eichsfeld fast jeder – oder mit Leinewasser, denn die Leine entspringt in der Nachbarstadt Leinefelde, wo der Leine-Radweg beginnt und Richtung Hannover führt. Die Unstrut-Weinregion hingegen liegt am „anderen Ende“ des Flusses, kurz vor der Vereinigung mit der Saale.
Mir ist der von dort kommende Wein zu sauer, aber ich bin auch ein Wein-Banause!
Noch ein Tip: Wenn Du Zeit hast, in Dingelstädt beginnt auch der Kanonenbahnradweg, der auf einer Bahntrasse, die bis 1992 in Betrieb war, verläuft und Richtung Eschwege führt. Dort fährt man durch Deutschlands längsten Bahntrassen-Radwegtunnel mit 1530 m Länge. Die Schienen liegen auch noch auf der gesamten Länge (ich glaube um die 37 km), man kann auf der Strecke auch mit der Fahrraddraisine fahren. Eine wirklich tolle Strecke, die auch die ehemalige innerdeutsche Grenze berührt und somit neben der Eisenbahngeschichte auch viel politische Geschichte erzählt.
Du siehst, die Region lohnt sich!“
Danke, Claudia, für diesen ausführlichen Beitrag.
bikeline – bei mir bewährt. Die Seite zum Buch mit Live-Updates:
www.Esterbauer.com/bikeline/unstrut-radweg
Die Website zum Radweg: www.UnstrutRadweg.de
Mehr schöne Weinberge sah ich von 5 Jahren an der Elbe bei Dresden. Kleiner Rückblick in einer Diaschau mit Musik und mit wunderbarem Sonnenuntergang 😍:
Photos.App.Goo.gl/nyrmUtiKy2PxK3UXA
Und auf http://www.unstrutradweg.de findest Du viele weitere Informationen.
Viel Spaß Olli
Vielen Dank, Olli. Steht nun auf meinem Zettel :-), Ralph