Mitten in der Woche, am 31. Juli 2024 brach ich früh auf zu einer vielversprechenden Reise nach Küstrin und Kostrzyn. Die Fahrt mit dem kurzen “Express”-Zug 8:30 Uhr ab Lichtenberg war bequem, wenn auch gut gefüllt – vielleicht waren ja auch andere auf dem Weg zum gern besuchten Polenmarkt, um preiswerte Waren zu ergattern. Es gibt mit dem RB26 der NEB wechselnde Verbindungen – ab Ostkreuz oder Lichtenberg, Fahrzeit 60 oder 90 Minuten.
Mein erstes Ziel war ein eher ungewöhnliches: eine alte, verlassene Kaserne in Küstrin-Kietz. Das Hauptgebäude war gut gesichert, aber ein Nebengebäude bot einen kurzen Einblick in diesen Lost Place. Die Atmosphäre war gespenstisch, ein Hauch von Geschichte lag in der Luft. Zurück am offiziellen Wanderweg, bietet sich ein herrlicher Blick auf die Oder und die imposante Festung Küstrin auf der anderen Seite.
Dann erreichte ich auf einem kleinen, unnötigen Umweg doch noch rechtzeitig den ersten Höhepunkt der Tour: die Einweihung der brandneuen Europa-Oderbrücke. Die Feierlichkeiten waren zwar nicht öffentlich, aber von der alten Straßenbrücke aus hatte ich einen perfekten Blick auf das Spektakel. Ein roter Sonderzug dekorierte die Brücke. Ein buntes Knall-Bumm-Feuerwerk und drei Surfer auf eBoards zeigten die D-, P- und Europaflagge in einer Art Wasserballet. Damit war die Brücke am dritten Tag nun offiziell und medienwirksam eröffnet. Ein kleiner bewegender Moment, der die Bedeutung dieser neuen Verbindung zwischen Deutschland und Polen markierte.
Nach der Feier wanderte ich über die Grenze und betrat am Eingang Berliner Tor die Festung Küstrin, die einst die Küstriner Altstadt schützte. Heute erinnert nur noch das gepflasterte Straßennetz an die einstige Stadt, wo es bis zum WW-II noch Rathaus, Kirche, Schloss, Markt, sogar eine Straßenbahn und alles gab, was eine lebendige Stadt ausmacht. Eigentlich müssten es heute noch Zeitzeugen geben, die berichten können.
Die einzige gut erhaltene Bastion ist die Bastion Filip – eine der sechs speziellen Verteidigungsecken. Diese beherbergt ein beeindruckendes Museum, das die Geschichte Küstrins lebendig werden lässt. Besonders faszinierend fand ich das 3D-Modell der Stadt und die Gegenüberstellung historischer Fotos mit aktuelleren Ansichten, auch viele Luftbilder.
Ich empfehle den “Altstadtplan” für einen Euro zu erstehen, dann das Museum mit Ausstellung in der Bastion Filip zu besuchen (6,25 Euro Spende) und erst anschließend unter den dort gewonnen Eindrücken durch den völlig grün überwachsenen Ruinenpark zu wandern. Tipp: An einer Stelle am Standort des Schlosses kann man einige Stufen in das Gewölbe absteigen. Gruselig.
Dann ging es weiter gleich gegenüber zum “Basar”, despektierlich als Polenmarkt bekannt. Hier herrschte am frühen Nachmittag eine fast so stille Atmosphäre wie in der gestorbenen Festung. Erschreckende Perspektiven entlang langer Gänge mit verlassenen Verkaufsständen. Wo früher Waren aller Art angeboten wurden, von Kleidung über Lebensmittel bis hin zu Souvenirs. Obwohl die goldenen Zeiten des Basars offenbar längst vorbei sind, war es dennoch ein interessantes Erlebnis, durch die Gänge zu schlendern. Tatsächlich gibt es noch Händler, die nicht aufgegeben haben. Vor allem am Eingang in vorderster Lage.
Zum Abschluss meines Ausflugs und auf dem Weg zum Bahnhof erkundete ich die Parks von Kostrzyn. Der Park Miejski war eine angenehme Überraschung: weitläufig, grün und mit vielen Kunstwerken und Spielplätzen ausgestattet. Sehr familiengerecht, und der Wanderer kann sich hier nach einem ereignisreichen Tag entspannen. Es gibt auch einige Gastronomie.
Zug verpasst, Zug fällt aus.
Ausgerechnet am Tag der Einweihung hatte vielleicht mal wieder einer der Lokführer der NEB bei schönem Wetter besseres zu tun. Der 17 Uhr Zug nach Berlin fiel mal kurzfristig und ersatzlos aus.
Zeit für einen zusätzlichen Spaziergang. Unterhalb des unübersehbaren Wasserturms entdecke ich ein weiteren “Polenmarkt”. Nur fünf Fußminuten vom Bahnhof entfernt. Aber vom Eindruck her, war dieser Markt nicht mehr aktiv. Vielleicht wieder an den Wochenenden, wo doch jetzt die Züge wieder durchfahren bis Kostrzyn?
Dann um 18 Uhr kam doch noch der nächste Zug. Kein Express, aber ein langer Doppelwagen-Zug. Ein Wagen völlig überhitzt, ich steige schnell in den zweiten, klimatisierten Teil ein. Keine Gedränge.
Auf der Rückfahrt im Zug ließ ich den Tag Revue passieren. Küstrin und Kostrzyn hatten mich mit ihrer Mischung aus Geschichte, Kultur und lebendiger Gegenwart beeindruckt. Die neue Brücke, die alte Kaserne, die Festung und der Basar – jeder Ort hatte seine eigene Geschichte zu erzählen. Und die Parks von Kostrzyn boten eine willkommene Oase der Ruhe inmitten des städtischen Trubels. Es war ein Ausflug, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.