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Mittwoch, 13. März 2024. Kiez-Spazierwanderung in der ältesten und vielleicht verwunschensten Villenkolonie Berlins – in Lichterfelde-West. Hier hat Otto Lilienthals Bruder und Architekt Gustav Lilienthal ausgefallene, architektonische Ideen verwirklicht, die er aus England mitbrachte.
Die 30 burgartigen Häuser, von denen noch 22 existieren, waren durchaus nicht als Luxusvillen gedacht. Lilienthal hatte auch sozialreformerische Ansichten, baute sozusagen preiswerte Familieneigenheime ohne Stuck, Glanz und Repräsentationsräume. Das war zwischen 1887 und 1900.
Der neue Vorort wurde allerdings bereits 1865 vom Bauunternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn gegründet, der repräsentatives Wohnen im Grünen ermöglichen wollte. Auch Berlin war schon immer eine Stadt der Arm-Reich-Kontraste.
Das Fotoalbum in der Cloud ist fertig sortiert und kommentiert:
Das kommentierte Fotoalbum: “240313 Kiezwanderung in Lichterfelde West zu Lilienthals Burgen und zum Mäusebunker”
Der Streifzug mit offenen Augen beginnt
Am S-Bahnhof Lichterfelde West angekommen, sind wir schon mittendrin in der Villenkolonie. Frühzeitig wurde hier damals ein neuer Bahnhof mitgedacht. Das Gebäude wurde von Carstenn im Stil einer norditalienischen Renaissancevilla entworfen. Blumen schon in der Unterführung und geht man durch das Gebäude, grüßt auch dort ein Blumenmeer. Neben dem Bahnhof ein Restaurant mit Biergarten.
Ein entspannter Vorplatz. An der Baseler Straße der große “West-Bazar”, erbaut 1897. Auch heute noch eine Art Handels-Basar, u. a. mit Butter Lindner, einer Bar und einer Genussmanufaktur. 1a Lage am Bahnhof. Auch gegenüber kleinere Geschäfte.
Das Emisch-Haus
Ecke Curtiusstraße 6 ein sehr auffälliges Gebäude. Das Paul-Emisch-Haus ist ein ganz besonderer Blickfang. Die Turmvilla als Geschäfts- und Wohnhaus mit Fachwerk und bemalten Fassadenflächen ist reich verziert. Wer genauer hinschaut, entdeckt biblische Bildmotive.
Nach 1970 wurde dieses Bankiers-Haus restauriert, 1995 die Malereien erneuert. Im Haus residiert seit 120 Jahren: Schnoor Immobilien. Der “Platzhirsch in der Region” (Eigenwerbung).
Gegenrichtung in der Curtiusstraße: eine große “Florentische Villa” fällt auf. In der Villa Holzhüter (1875), so der eigentliche Name, ist ein Yoga-Studio drin.
In der Köhlerstraße 42 pflegt die Hausgemeinschaft einen fröhlichen Vorgarten. Etwas weiter fallen vier große, untypische Wohngebäude auf, hier hat die damalige Bahngesellschaft dem Stadtplaner Baugrund abgeluchst und Mitarbeiter untergebracht.
Wohnungsgenossenschaft Rother-Stift
In der Friedrichstraße Ecke Kommandantenstraße 9–12 fällt ein weiteres großes Objekt auf. Der Rother-Stift ist ein ebenfalls denkmalgeschütztes Gebäude, ursprünglich als Wohnanlage für unverheiratete (!) Töchter von Offizieren und Beamten im Alter gebaut.
Eine Parkanlage vor der Tür, alles super gepflegt und äußerst sauber.
Recherchiert: 48 Wohnungen (überwiegend 1,5 – 2 Zimmer) befinden sich im Altbau, 38 Wohnungen im modernen Neubau mit Fahrstuhl und barrierefreier Ausstattung. Die Anlage gehört heute einer Wohnungsgenossenschaft, dem “Beamten-Wohnungs-Verein” (BVV; auch alt seit 1900; Mieten 6 Euro netto kalt).
Gegenüber ein stilvolles Wohnhaus in der Kommandanten- Ecke Friedrichstraße. Nein, das ist noch keine Lilienthal-Burg.
Eine dritte Großkirche in Lichterfelde ist die runde Evangelische Johanniskirche an der Ringstraße / Ecke Pfleidererstraße. Der Bau erhält gerade einen aufgefrischten Vorplatz.
Nicht nur Lilienthal-Burgen bestimmen diesen feinen Kiez, der aber ohne Protz auskommt.
Frau Lüske – Wohnzimmer, Küchentisch und Gartenterrasse von Lichterfelde
Kurze Kaffeepause in der Sonne bei Frau Lüske, einem äußerst schicken, auch großen Café und Restaurant Baseler Ecke Ringstraße. Schließt im 18 Uhr (Küche bis 16 Uhr), abends werden wohl in dieser Gegend die Bürgersteige hochgeklappt.
Andrea Lüske hat ihren Laden einfach nach sich selbst benannt. Früher war hier ein jüdisches Konfektionsgeschäft, nur eine Geschichtstafel am Haus erinnert daran. Aber auf dem Weg zum Bad von Frau Lüske gibt es noch eine kleine Ansichtskarten-Ausstellung.
Die Villa Schwerdtfeger in der Ringstraße ist heute ein Denkmal – mit Platz für 9 Familien!
Der Spiderman klebt dort schon einige Jahre. Seine Lichterfelder Geschichte – unbekannt. Ein Tipp bei Komoot gefunden.
Der Erhalt der alten Häuser kostet. Wenn an den Villen nur das Nötigste gemacht wird, bekommen sie Patina und wachsen eigentlich ganz nett ein. Siehe Beispiel im Fotoalbum.
Wie erreichen das Burgenviertel
Die Fassade des Eckhauses Potsdamer / Marthastraße sieht von dieser Seite etwas eigentümlich aus … gehört aber doch tatsächlich zum Lilienthal’schen “Burgensemble”. Hier befinden sich zwei Doppelhäuser gegenüber, jeweils getrennt durch eine gemeinsame Brandmauer.
Die linke Hälfte dieses Doppelhauses war Wohnhaus von Gustav Lilienthal (1849 – 1933). Eine Enkelin wohnt soll dort heute noch wohnen.
Otto Lilienthal wohnte übrigens in Lichterfelde Ost. Sein Wohnhaus in der Boothstraße 17 existiert nicht mehr (Gedenktafel hier). Es stand unweit des heutigen Lilienthal-Denkmals, das weiter unten erwähnt wird.
Eine Zugbrücke im Garten
Bei einige Häusern dient eine angedeutete Zugbrücke als durchaus funktionales architektonisches Gestaltungselement – sie überbrückt einen “Graben” vor dem Souterrain und dieser ermöglicht dort mehr Licht in den Räumen. Eine Gedenktafel im Garten im Lilienthal-Haus erklärt.
Das angeschlossene Eckhaus “Professor von Knorre” wurde allerdings verändert, wesentliche Architekturteile und Schmuckelemente entfernt. Da hat wohl ein Denkmalpfleger nicht aufgepasst.
Die Entwürfe Gustav Lilienthals kennzeichnet eine für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Funktionalität und Zweckmäßigkeit.
So sind die Türmchen und Zinnen nicht Zierat, sondern dienen als Abluftschächte der Warmluftheizungen oder als Schornsteine.
Der verwendete Verputz war im Gegensatz zum sonst gebräuchlichen Stuck einfacher herzustellen und viel dauerhafter, und die Gräben an den Häusern hatten den Zweck, die Belichtung der Untergeschosse zu verbessern. (aus: Streifzüge durch Berlin, Band 1)
Den Kessler machen
Gegenüber befindet sich eine weitere “Doppelburg” in der Marthastraße.
Ein ältere Dame ließ sich erfreut bei der Gartenarbeit unterbrechen und auf ein Gespräch am Gartenzaun ein. Wir nennen es “den Kessler machen”, einfach mal Anwohner ansprechen und behutsam ausfragen. Goldwert.
Nach Erzählung der Eigentümerin ist der Rauputz an den Burgen bis heute im Original erhalten.
Wir erfuhren von der Witwe, dass Zentralheizungen früher noch nicht üblich waren und dass es besser sein kann, nicht beim Denkmalschutz “mitzumachen”. Und dass sie eine 90 qm Wohnung im großen Haus untervermietet.
Unbedingt gegenüber die Zugbrücke beachten – der überspannte “Burggraben” ermöglicht Sonne im Souterrain – und weiter in die Paulinenstraße und den Weddigenweg wandern…!
In der Paulinenstraße
Erst einmal fällt im Kadettenweg das Kunsthaus der Achim Freyer Stiftung auf, dort ist eine private Sammlung des Künstlers und Regisseurs zu besichtigen. Wenn sonntags geöffnet ist!
Die Paulinenstraße beginnt mit einem Paulinenplatz. Darauf der sogenannte Kadettenstein. Die Nachbarschaft kümmert sich um den Erhalt, hat dem Platz sogar eine Website gewidmet. www.Paulinenplatz.berlin funktioniert allerdings gerade nicht.
Vor Ort erklären zwei große, zweisprachige Tafel die örtliche Geschichte. Sogar hier in der versteckten Ecke meinen Anarchos mit der Spraydose die Geschichte wegzusprühen.
Lichterfelde West wurde frühzeitig mit sehr langen Alleen geplant. Noch schöner dürfte es hier sein, wenn Bäume grün ihre Schatten spenden.
Zwischen den Burgen fällt ein Möchtegern-Schloss auf 😄.
Die Burgenvillen ähneln sich – sind doch aber alle individuell gebaut. Die Silhouetten sind immer abenteuerlich.
Ein Denkmalschutz-Zeichen ist jedoch selten zu sehen. Um nervige Auflagen zu umgehen, können Besitzer wohl aus dem Denkmalschutz “austreten”.
Im Weddigenweg
Wir stehen vor dem riesigen Areal der früheren Kadettenanstalt. Heute u. a. Archiv für Akten der DDR, angeschlossen eine Schwimmhalle, ein Flüchtlings-Containerdorf (das war erstaunlicherweise verwaist!).
Die Geschichte der Kadettenanstalt auf der Erinnerungstafel endet vor 1989: Jungen-Gymnasium, Kaserne Hitler SS, Erschießungen, seit 1945 US-Kaserne.
Auf der schönen Seite des Teltowkanals
Kurz mal kurz falsch abgebogen sind wir an der unübersichtlichen Kreuzung Finckensteinallee Ecke Drakestraße, Hindenburgallee und Goerzallee (!).
Du musst unbedingt über die Emil-Schulz-Brücke der Königsberger Straße, um in den schönen Park südlich des Kanals zu gelangen. Die andere Seite mit der Fahrradrennstrecke ist nicht empfehlenswert.
Und hier gibt es auch viel mehr zu sehen und es gibt Ruhebänke:
Zu Beginn ein Ausstellungsstück “Treidellokomotive” mit einer ausführlichen Schilderung des damaligen, elektrischen Betriebes.
Ein Hundepark, ein DiscGolfPark und ein Lilienthal-Denkmal sind in diesem nahezu radfreien Park südlich des Teltowkanals zu finden. Es ist also auf jeden Fall das schönere Wanderer-Ufer.
Bereits 1914 wurde dieses von Peter Breuer gestaltete Denkmal eingeweiht, zu Ehren des “Vorkämpfers der Fliegekunst” 😯.
Es ist übrigens nicht weit von hier, ein knappe Fußstunde, das große Denkmal “Fliegeberg” im schönen Kirschbaumpark und mit einem Zierteich an der Schütte-Lanz-Straße. Unbedingt empfehlenswert.
Wir hatten allerdings noch ein anderes Ziel auf dem Zettel – wo wir nun schon mal in der Gegend waren…
Brachial: der Mäusebunker
Der umgangssprachliche Begriff ist völlig unpassend, weil verniedlichend für dieses betongewordene Kriegsschiff der Architektur mit seinen bedrohlichen “Kanonen”.
Sicher wurden hier in den Zentralen Tierlaboratorien der Freien Universität Berlin auch Affen, Schweine andere Tiere tief in den Kellern gequält.
1981 fertiggestellt. Die Schreie der Labortiere sind 2019 verstummt. Schadstoffe wie Asbest sind sicher noch drin.
Heute verschlossen, versiegelt und abgesperrt gammelt das Objekt vor sich hin. Natürlich sollte das Teil anfangs durch Rückbau verschwinden. Dann Kehrtwende. erst kürzlich, 2023 unter Denkmalschutz gestellt! Modellverfahren zur Umnutzung laufen.
Die winzigen Wohnungen gegenüber des Bunkers waren wohl mal für die Medizinstudenten gedacht.
Weitere Brachial-Architektur in der Krahmerstraße genau gegenüber. Hier im Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité wird weiterhin gelehrt und geforscht.
Dorf Lichterfelde
Wir gelangen zum Dorfanger. Gleich zwei Kirchen. Die Dorfkirche Lichterfelde wurde zu klein, die große Pauluskirche musste her.
Ein Gutshaus im kleinen Schlosspark Lichterfelde, der sich hier anschließt. Die eingegangene Palme im Vordergrund macht dieses Bild nicht mehr gesund. Offensichtlich hat die Universität hier dem Park mit ihren Neubau einiges weggenommen. Ein Schloss gibt es auch nicht mehr.
Hier fast endet unser Kiezspaziergang. Nach einem Kaffee im Kaffeehaus Vakorama führt der Rückweg über die ruhige Moltkestraße am Marktplatz und Friedhof vorbei zur S-Bahn-Station Botanischer Garten.
Was Bing meint und für diesen Post zusammenträgt. Der “Mäusebunker” bleibt unerwähnt 😏:
Mehr Lichterfelde West
ist bekannt für seine historische Villenkolonie, die zu den ältesten Berlins gehört. Viele der Gebäude stehen unter Denkmalschutz und bieten ein einzigartiges architektonisches Erlebnis.
Besonders bemerkenswert sind die über 30 burgartigen Häuser, die von Gustav Lilienthal an der Wende zum 20. Jahrhundert erbaut wurden, von denen heute noch 22 erhalten sind¹.
Diese Gegend ist auch für ihre Natur und die vielen Villenarchitekturen bekannt, die zu den beliebtesten Wohngegenden der Hauptstadt zählen³.
Zu den weiteren Highlights zählen der Botanische Garten und das Botanische Museum, der Schlosspark Lichterfelde sowie der Campus Benjamin Franklin der Charité⁴.
Ein Spaziergang durch Lichterfelde West lässt Sie in die Geschichte eintauchen und die prachtvolle Architektur sowie die natürliche Schönheit der Umgebung genießen.
Quelle: Unterhaltung mit Bing, 15.3.2024
(1) BAUWELT – Die Burgen von Lichterfelde. https://www.bauwelt.de/themen/bauten/Die-Burgen-von-Lichterfelde-Gustav-Lilienthal-2153329.html.
(2) Lichterfelde-West: Natur pur und viel Villenarchitektur – ImmoKEY Blog. https://bing.com/search?q=Bemerkenswertes+an+Lichterfelde+West.
(3) Lichterfelde West – Wikipedia. https://en.wikipedia.org/wiki/Lichterfelde_West.
(4) Eine Wanderung in der Villenkolonie Lichterfelde-West. https://kulturfuehrer.kulturring.berlin/kultouren/steglitz-zehlendorf/html/tour-06.php.
(5) Lichterfelde-West: Natur pur und viel Villenarchitektur – ImmoKEY Blog. https://www.immokey.com/blog/lichterfelde-west/.
(6) Lichterfelde West – Wikiwand. https://www.wikiwand.com/de/Lichterfelde_West.
Das kommentierte Fotoalbum: “240313 Kiezwanderung in Lichterfelde West zu Lilienthals Burgen und zum Mäusebunker”
Siehe auch: ChatGPT-4 Plane eine Wanderung durch das Villenviertel in Lichterfelde West
Siehe auch: Auf dem Zettel – was sonst so gerade für Unterwegs ansteht