LETZTE ÄNDERUNG am Dienstag 10. Juni 2025 17:26 durch Berlingo
Urbane Abenteurer unterwegs auf einer winterlichen Stadtwanderung 🤣.
Lust auf eine etwas andere Sightseeing-Tour? Dann schnallt euch an, denn wir nehmen euch mit auf einen grotesk-schönen Trip durch den Wedding – Berlins bestgehütetes Geheimnis (nicht wirklich).

Wir starten unsere kleine Nachmittags-Odyssee am S-/U-Bahnhof Wedding, dem Tor zu einem Paralleluniversum, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint (oder einfach nur ein bisschen langsamer läuft).
Ein kurzer Hüpfer ist es bis zur Gerichtsstraße, auf dem Max-Josef-Metzger kommen wir an der „Trümmersäule“ vorbei, einem unübersehbaren Monument der Nachkriegszeit, das uns daran erinnert, dass Berlin nicht immer die hippe Metropole war, die sie heute ist.
Gleich gegenüber in der Müllerstraße die St. Joseph Kirche, ein architektonisches Meisterwerk, das sich irgendwie in die Umgebung einfügen musste (oder auch nicht).
Doch unser eigentliches Ziel des Tages ist ja gleich zu Beginn das ehemalige Krematorium Wedding, heute bekannt als „silent green“ – ein Ort, an dem die Grenzen zwischen Leben und Tod verschwimmen (zumindest metaphorisch).

In diesem imposanten architektonischen Ensemble, das einst die letzte und heiße Durchgangsstätte vieler Berliner war, finden wir heute Ateliers, Ausstellungsräume und ein Restaurant (weil, warum nicht?). Der große Leichenkeller ist ein Eventraum ebenso wie die eindrucksvolle Trauerhalle (die heute aber verschlossen blieb, Fotos siehe Google).
Wir haben das Vergnügen, die Ausstellung „Unnatural Encounters“ („Unnatürliche Begegnungen“) im Rahmen der transmediale 2025 zu besuchen – schon eine halbe Stunde vor der täglichen Eröffnung um 14 Uhr schleichen wir uns durch einen „Hintereingang“ hinein.
Die ziemlich abgehobene Ausstellung ist ein Fest für die Sinne (und vielleicht auch für den Magen).

Im Keller des Gebäudes, wo einst die Verstorbenen auf ihre letzte Reise warteten, erwarten uns beispielsweise ein psychedelisches Video-Mosaik und weitere moderne Videoprojektionen, die uns in eine andere Welten entführen sollen (oder zumindest den Eindruck erwecken). Wir haben vieles davon fotokopiert – mit unseren Handys.
Ein Highlight der Ausstellung: die ausführliche Erklär-Installation zum Thema Kompostierung – ja, richtig gelesen! Wir dürfen sogar das „Superfood“ probieren (und nein, die frische Erde schmeckte keinesfalls super).

Nach diesem kulinarischen Intermezzo verlassen wir das silent green durch den Haupteingang, also in umgekehrter Richtung, vorbei an einem elektronischen Wasserfall, der uns den Weg weist (oder uns einfach nur nass machen möchte).
Doch halt, da war ja noch was! Im silent green befindet sich im Hauptgebäude mit der Trauerhalle auch das Restaurant MARS, wo wir uns nach unserem kulturellen Abenteuer mit kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnen lassen können. Einem kleinen Salat, Kaffee und dem letzten Stück Schokoladentorte. Die Atmosphäre ist sehr schick. Kleine und große Räume, die sich auch für Gruppentreffen eignen. Man ist auf Ansturm bei Veranstaltungen vorbereitet.
Die ehemalige Trauerhalle wird ab und zu als Veranstaltungsort für Konzerte, Lesungen und andere Events genutzt wird. Ein Ort voller Geschichte und Atmosphäre, an dem man die Vergangenheit spüren kann (und vielleicht auch ein bisschen Gänsehaut bekommt).
Und hey, wo kann man schon im stillen Garten mit Blick auf den Urnenfriedhof dinieren? Es sei erwähnt – es ist hochpreisig!

Weiter geht’s zum Nettelbeckplatz, wo uns das Denkmal „Tanz auf dem Vulkan“ mit seinem teuflischen Charme empfängt.
Der Teufel, der auf einem Piano spielt (achte auf seinen linken Fuß!), dieser Brunnen von Ludmila Seefried-Matejkowa verleiht dem Ort eine gewisse Dramatik (oder einfach nur eine skurrile Note).
An heißen Tagen bieten aber die großen Platanen wunderbaren Schatten, verweile auf großen Sitzbänken.
Nächster Highlight-POI: die historische Wiesenburg, bzw. das, was noch heute übrig ist, ein verwunschenes Baudenkmal, das seit einigen Jahren schon versucht, aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen.
Nachnutzung, hier tummeln sich Werkstätten und Künstlerateliers, während nebenan neue Wohnbauten in den Himmel wachsen. Gentrifizierung auch hier im Wedding? Zur Orientierung: Ortsteil Gesundbrunnen nahe Humboldhain.

Aber Moment mal, was ist eigentlich die Wiesenburg? Nun, dieses geschichtsträchtige Gebäudeensemble hat schon einiges erlebt. Erbaut im 19. Jahrhundert als Brauerei, diente es später als Fabrik, Lagerhalle und sogar als Notunterkunft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verfiel die Wiesenburg zusehends, bis sie schließlich in den 1990er Jahren unter Denkmalschutz gestellt wurde. Heute lebt sie nachgenutzt weiter und bietet am Ufer der Panke Raum für Kreativität und Kultur.
In der Wiesenburg versteckt sich die „VHS Bar“ – ein Ort für Nostalgiker und Hipster, die den Charme des Analogen zu schätzen wissen (oder einfach nur kein Netflix haben).

Hier gibt’s Flaschenbier und alte Filme von VHS-Kassetten (weil Retro einfach cool ist). Es gibt kein Schild, keine bekannten Öffnungszeiten. Ein echter Insider.
Da jetzt im Januar das Grün abwesend ist, haben wir den Weg entlang des linken Ufers der Panke nicht fotokopiert.
Aber am Abschluss unserer Tour an der Pankemündung am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal werden wieder die Handys gezückt.

Westlich des Kanals, der einmal Grenze war, erwartet uns die neue Europacity mit ihrer futuristischen, zumindest berlinuntypischen Großstadtanmutung. Ob Miete oder Eigentum – hier wohnt das Geld. Der umgebaute Kornversuchsspeicher und die Rieckhallen sind Zeugen des Wandels, der Berlin unaufhaltsam prägt (ob zum Guten oder zum Schlechten, sei dahingestellt).

Berlin streitet gerade mit den Investoren über die sozial gebundenen Wohnungen, die vereinbart wurden, aber jetzt nicht da sind. Stattdessen wird mega teuer möbliert vermietet!
Dazu ein Update.
„Europacity“ in Moabit – Berliner Senat klagt wegen 215 fehlender Sozialwohnungen in der Heidestraße (Quelle: rbb24)

Unsere kleine Stadtwanderung vom Wedding bis zum Hauptbahnhof war eine Achterbahnfahrt der Eindrücke – von grotesk bis schön, von historisch bis modern, von skurril bis inspirierend.
Berlins kann immer wieder rau, authentisch und voller Überraschungen sein.
Der Track bei Komoot zeigt auch Sommerbilder der Komoot-Community:
www.Komoot.com/de-de/tour/2018364100
Und hier sind unsere fotografischen Belege im Cloud Fotoalbum:
„251214 Stadtwanderung – Silent Green im Krematorium Wedding, Wiesenburg, Panke und Eurocity“

Links

Die Ausstellung UNATURAL ENCOUNTERS im silent green noch bis Sonntag, 19. Januar 2025. Eintritt frei.
Rechts: Das Begleitheft zur Ausstellung in deutscher und englischer Sprache. Nicht immer leicht zu verstehen. 32 Seiten/24 MB – Download.
Die transmediale 2025 als internationales Festival aktuell im Haus der Kulturen der Welt vom 29. Januar bis zum 2. Februar 2025. Programm hier.
Es gibt nun auch einen kleinen Clip:
Zum Anschauen dieses und alle anderen Videos auf unserer Website bitte einmalig YouTube Cookies akzeptieren.
YouTube Privatsphären Informationen
Mit der Erlaubnis wird diese Seite eventuell neu geladen.
Die „kulturstelle Wiesenburg“ mit ihrer Website. Und die Geschichte der Wiesenburg als „Berliner Asylverein für Obdachlose“ bei Wikipedia.
Der neue Stadtteil Eurocity hat unter der Bezeichnung Europacity einen eigenen Eintrag bei der Wikipedia.